Google liebt WordPress!
Ach Gott, ja.
Tiefes Seufzen …
Dieses Google liebt WordPress lese ich auch heute noch auf so vielen Webseiten. Und dieser Spruch ist seit seinem Aufkommen im besten Fall missverständlich oder im schlimmsten Fall grob irreführend. Meistens verwenden Jungunternehmer (die klassische 1-Mann „Agentur“) diese Behauptung auf ihren Landingpages, um aus interessierten Lesern zahlende Kunden zu machen. Einer schreibt vom anderen ab und im Laufe der Zeit verselbständigen sich die Dinge. Niemand hinterfragt allgemein gültige „Wahrheiten“.
Newsflash: Im Geschäft geht es nicht um Liebe. Google an sich „liebt“ sowieso niemanden – abgesehen von Marktmacht und Geld. Warum also sollte Google WordPress lieben und – viel wichtiger – warum sollte das jemanden kümmern, der einfach eine Webseite möchte?
Eine gute Positionierung bei der wichtigsten Suchmaschine weltweit ist wichtig, aber auch nicht alles. Wichtig ist dabei zu wissen, dass Google hier zwei verschiedene Seiten betrachtet und versucht bestmöglichst zusammenzubringen. Was ist des Suchenden Intention und welches unter den Millionen von Angeboten und Inhalten im Internet wird dieser Intention am ehesten entsprechen? Welche Inhalte muss ich dem Suchenden anbieten, damit er dies mit einem Gefühl maximaler Zufriedenheit quittiert? Wie müssen diese Inhalte strukturiert und aufbereitet sein, damit sich dieses Gefühl beim Google Nutzer einstellt?
WordPress hat es früher als andere Hersteller verstanden, ein Produkt zu entwickeln, das als Gesamtpaket diesen Google Anforderungen am besten entsprach: Sprechende URLs, SEO Plugins (ein Widerspruch in sich), Performance usw. zur Befriedigung von Google und eine einfache sowie kostengünstige Anwendung für Geschäftstreibende, um einen Fuß in die online-Welt zu bekommen. Das brachte WordPress out of the box mit. Da kam dann der Spruch Google liebt WordPress auf – und stimmte doch nur so halb. Weil man nicht zwischen den Dingen unterschieden hat.
Und dann haben sich die Zeiten geändert.
Seit vielen Jahren haben andere Webseiten-Systeme mit WordPress gleichgezogen. Oder wenn sie WordPress aus technischer Sicht schon früher ebenbürtig oder sogar überlegen waren, dann haben sie ihre Preisstrukturen geändert und bewegen sich unter Umständen im selben Preisniveau. Auf der anderen Seite hat WordPress einiges aufgeben müssen, um auch für andere Kundengruppen interessant zu sein. Mit sprechenden URLs allein lockt man heute keinen Hund hinter dem Ofen hervor. Auch Google ist erwachsen geworden. Das mit der Seitengeschwindigkeit, einfacher Bedienung und die Kostenfrage bei WordPress muss man in bestimmten Fällen auch anders bewerten: Ein komplexer und hochfrequentierter Webshop auf WordPress Basis braucht ein gehörig Maß an Investitionen und Anpassung, um im Jahr 2022 bei professionellen Webshop Systemen mithalten zu können. Je aufgeblähter die Webseiten und anspruchsvoller die Kundenwünsche, desto schwieriger wird es mit der Performance und dem stabilen Betrieb. Ein WordPress out of the box benutzt heute eigentlich niemand mehr.
Deshalb kann man heute auch nicht mehr pauschal sagen: Google liebt WordPress.
Google zieht mittlerweile eine Menge von Faktoren und Kennzahlen heran und dabei ist es der Künstlichen Intelligenz dahinter schlichtweg egal, aus welchem System die sich speisen.
Lustige Anekdote am Rande: In WordPress Gruppen fragen Leute immer wieder, ob sie von Yoast zu Rankmath (beides SEO Plugins) wechseln sollen und zwar aus dem einfachen Grund, weil man Google unterstellt, dass es Webseiten mehr wertschätzt, wenn dort Rankmath verwendet wird. Dabei macht Rankmath so ziemlich genau dasselbe wie Yoast.
Was spricht heute für WordPress?
Wäre ich so eine Marketing- und Design-Agentur würde ja eher damit werben, dass meine Kunden mit WordPress erstellte Webseiten lieben. Und weshalb? Weil WordPress Webseiten ansprechende Designs ermöglichen, einen großen Bereich von Anwendungen abdecken und relativ einfach und zu akzeptablen Kosten* zu betreiben sind. Und auch das erachte ich als sehr nebensächliche und losgelöste Gründe, um eine Software zu „lieben“.
Wie wäre es stattdessen mit dieser Argumentation? Dank WordPress können sie funktionale und optisch ansprechende Webseiten und -services anzubieten, die es wiederum ihren Kunden ermöglichen, sie zu kontaktieren, sich über ihre Firma zu informieren und daraufhin eine Dienstleistung zu buchen oder etwas im Webshop zu kaufen. Es gibt so viele Arten der Interaktion. Dank WordPress können sie das alles zu akzeptablen Kosten* und auf einer technisch sicheren und anwendungsfreundlichen Basis realisieren. Das gilt heute mit Abstrichen nämlich immer noch.
*Ausnahmen bestätigen die Regel