Eine Stadt, kein Schloß und ein Gitter

Die Historienbegeisterung schlägt ja manchmal komische Blüten.
Aus diesem reichhaltigen Potpourri stelle ich Ihnen heute einmal den Umgang der Stadt Schwedt mit seinem (nicht mehr vorhandenen) Stadtschloss vor. Im Speziellen dem Schlossgitter.

Schlossgitter sucht Verein

Anders als in Berlin ist es in Schwedt nicht möglich, das Schloss komplett wieder aufzubauen. Der Protzbau der Uckermärkischen Bühnen steht dazu im Wege, Gelder sind keine vorhanden, ein Nutzungskonzept sowieso.
Im Jahr 2007 gründete sich dann ein Verein zur Rekonstruktion (eines Teils) des Schlossgitters. Auf der Webseite des Schlossgitter-Vereins findet man auch die ganze Geschichte der Hohenzollern-Nebenlinie in Schwedt und ihr Wirken wiedergekaut, nur vermisse ich eine stichhaltige und überzeugende Argumentation, warum Schwedt dieses Gitterfragment in der heutigen Zeit benötigt. Ich meine, mit Heimatkunde der Hauruck Methode lockt man seit über 20 Jahren keinen Hund mehr hinterm Ofen hervor. Obwohl ich der Webseite etwas mehr Platz gönnen, das unpassende Design ändern und Popup Fenster abstellen würde, ist die Bildergalerie ganz nett anzusehen – wenn man sie dann mal gefunden hat. Es ist sogar das Video von der Schlosssprengung 1962 integriert.

Nun, dieser Schlossverein hat also lange Zeit um Spenden gebettelt und es nun tatsächlich geschafft, einige Fragmente des Gitters an der Nordseite wieder aufzubauen. Ganz ehrlich gesagt, sie wirken in der Umgebung etwas verloren und vom Stil her deplatziert. Nichts gegen den Enthusiasmus der beteiligten Leute, aber man fragt sich schon, ob das Geld nicht an anderer Stelle sinnvoller angelegt gewesen wäre.

Schwedt – eine Geschichte mit Brüchen

Es ist sicher nicht ganz einfach, planerisch in einer Stadt zu arbeiten, die so vielen politischen, gesellschaftlichen und somit auch architektonischen Brüchen ausgesetzt war. Aber diesen grassierenden Historienwahn werde ich wohl nie verstehen. Niemand von den beteiligten Leuten hat noch die Zeit miterlebt, die hier durch die Architektur wieder heraufbeschworen werden soll. Die wenigsten sind überhaupt echte Schwedter. Nach Kriegsende lebten noch etwas 6000 Menschen in der Stadt. Nach und nach strömten Flüchtlinge aus Pommern und Ostpreussen nach Schwedt. Die Regionen westlich der Oder wurden zu fast 80 Prozent durch die Vertriebenen aus den Ostgebieten aufgefüllt.

Weitaus gravierender waren die Folgen durch den Ausbau Schwedts zur Industriestadt. Zu seinen Hochzeiten zählte Schwedt um die 60.000 Einwohner, das entspricht dem Zehnfachen der Bevölkerungszahl kurz nach dem Krieg. Die ursprüngliche Bevölkerung ist also durch die Kriegswirren und die folgende Entwicklung zur sozialistischen Industriestadt mit einer erzwungenen Einbürgerung von Industriearbeitern und -fachkräften überprägt worden. 90 Prozent der Schwedter können keinen Bezug auf die Markgrafenzeit oder die vorsozialistische Epoche vorweisen. Schon aus diesen Gründen macht dieses Gitter keinen Sinn. Touristen dürfte dieser nett gemeinte Versuch ohnehin nicht interessieren. Vor allem nicht, wenn sie bereits andere barocke Residenzstädte besucht haben oder in solchen leben.

Photos zum Schwedter Schlossgitter

Die Bilder sind im Juli 2010 aufgenommen worden. Aufgrund der Lichtverhältnisse etwas unscharf und aufgrund der Absperrungen nicht die ganzen Details zeigend.

Schwedt Schlossgitter 1
Schwedt Schlossgitter 1
Schwedt Schlossgitter 2
Schwedt Schlossgitter 2
Schwedt Schlossgitter 3
Schwedt Schlossgitter 3

Eigentlich finde ich Gußeiserne Zaunarbeiten ganz schön, wenn sie stilistisch nicht aus der Reihe tanzen.
Das hier finde ich aber wenig gelungen. Viel zu viel Geometrie, keine Schlichtheit. Das Grün empfinde ich als zu leuchtend. Zu dem hellen Sandstein hätte ein mattes Dunkelgrün vielleicht besser gepasst. Es mag ja alles dem Original entsprechen, aber der Stil ist weder Fisch noch Fleisch. Das mag aber jeder für sich entscheiden.

Als unbestritten setze ich aber voraus, dass sich die Archtitektur nicht mit dem Bau des Kulturhauses und seiner postmodernen sozialistischen Prägung verträgt. Es beißt sich regelrecht. Da werden keine Formen aufgenommen (wie auch), keine Gegensätze vereint. Das Gitter ist vom Eindruck her eine reine Anklage gegen die Schlosssprengung 1962. Als wenn das Kulturhaus etwas dafür könnte …

Das nächste Photo listet die beteiligten Firmen und Institutionen auf.

Schwedt Schlossgitter 4
Schwedt Schlossgitter 4

Das Markgrafenschloß in Schwedt

Man muss dann doch etwas in die Geschichte gehen, um zu verstehen, was der ganze Zauber zu bedeuten hat.  Alles begann in etwa mit dem Erwerb Schwedts 1770 durch die Kurfürstin Dorothea (vollständig: Dorothea Sophie von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg), die in zweiter Ehe mit Kurfürst Friedrich Wilhelm (auch genannt „Der Große Kurfürst“) von Brandenburg verheiratet war. Da ihre Söhne eigentlich keine Chance auf den Kurfürstentitel hatten, suchte sie andere Mittel und Wege, ihre Nachkommen finanziell abzusichern. Dazu zählte zum Beispiel die Etablierung der Markgrafschaft Bradenburg-Schwedt, das zwar nur nominell eine Markgrafschaft war, sich aber vom Reichtum her durchaus mit anderen Fürstentümern messen konnte.
Für Ihren ältesten Sohn Philipp-Wilhelm, der erste Markgraf von Brandenburg-Schwedt, ließ sie das vorhandene, im 30jährigen Krieg arg zerstörte Schwedter Stadtschloss erneuern. Die ehemaligen Renaissance Anlage wurde vom holländischen Architekten Cornelis Ryckwaert zu einer barocken Dreiflügelanlage umgebaut. Bis zu seiner Sprengung behielt es den barocken Charakter bei. Nur einige Wohnräume wurden Ende des 18. Jahrhunderts von Friedrich Gilly klassizistisch umgestaltet. Das Schloss stand direkt an einem Altarm der Oder, wies in seiner Gestaltung einen ungewöhnlich großen Ehrenhof und einen Barockgarten zur Wasserseite auf. Die Schlossfreiheit wurde durch eine über 100 Meter breite Kastanienallee gebildet. Heute ist ist sie überwiegende mit Linden bepflanzt, weshalb sie folgerichtig aber historisch nicht korrekt Lindenallee heißt.
Mit dem Aussterben der Markgrafenlinie wurde das Schloss nicht mehr bewohnt, das Lehen fiel zurück an die preußische Krone.
Anfang 1945 wurde Schwedt durch den Vorstoß der Roten Armee über die Oder stark in Mitleidenschaft gezogen. Das Schloss brannte infolge von Granattreffern vollständig aus und wurde 1962 auf Befehl Walter Ulbrichts gesprengt. An seine Stelle wurde ab 1969 das architektonisch pompöse Schwedter Kulturhaus errichtet, die heutigen Uckermärkischen Bühnen Schwedt.

Der ehemalige Barockgarten, soll innerhalb einer Förderinitiative zum Europäischen Hugenottenpark ausgebaut werden. Ein typischer Fall von Historienblödsinn.  Hugenotten hatten mit dem Schlosspark (unter dem Begriff kennen ihn die Schwedter) wenig bis gar nichts zu tun. Auch wenn der Große Kurfürst seinerzeit die Ansiedlung hugenottischer Flüchtlinge angekurbelt hat, wird ihre Rolle für die Landesentwicklung meist gehörig übertrieben. Hiermit bekommt der Schlosspark eine symbolische Umwidmung, die geschichtlich falsch ist und ein merkwürdigen Blick auf das Stadtentwicklungskonzept Schwedts wirft.
Im Schlosspark lassen sich nur noch wenige Artefakte aus königlicher oder gar kurfürstlicher Zeit finden. Die für diese Gärten typischen  Skulpturen wurden einst von Friedrich Christian Glume geschaffen. Glume war einer der bedeutendsten friderizianischen Bildhauer. Die heute noch vorhandenen Skulpturen können nur Nachbildungen sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich dort etwas im Original erhalten hat.
Das soll sich nur mit dem Hugenottenpark und der neu zu errichtenden Freilichtbühne ändern.

Stichtag dafür ist meines Wissens der Brandenburg Tag 2010; für mich eine Veranstaltung von zweifelhaftem Wert.
Unter dem Motto „Adler trifft Pipeline“ (uiuiui) feiert sich Brandenburg und Schwedt im zwanzigsten jahr nach der Wende.
Hier einige weiterführende Infos:

2 Gedanken zu „Eine Stadt, kein Schloß und ein Gitter“

  1. Mit der Gesamtkritik kann ich mitgehen, besonders was die Parkgestaltung, Ausstrahlung und architektonische Gesichtspunkte betrifft. Aber es gab keine Alternative.
    Über den Sinn der Aufstellung dieses Gitters lohnt es sich nicht, hier Ausführungen zu tätigen, denn für Schwedter Bürger ist dieser ein Muß. Ich selber sehe es auch nur als kleine Geste, kann Ihrer Ansicht allerdings nicht ganz folgen.
    Die Arbeit des Schloßgittervereines war leider eine Notwendigkeit, weil in der Stadtverwaltung und auch im Haus der Uckermärkischen Bühnen als Betreuer des Hugenottenparkprojektes ein enormer Kleingeist, gepaart mit illusorischen Vorstellungen herrscht. Ähnlich dem, der Stadt Duisburg bei der mißratenen Loveparade. Meine Ansichten über den Bühnenbau und auch andere finden Sie in meinem Blog unter falls es Sie interessiert.
    Als Spender und Webmaster der Homepage kann ich Ihnen sagen, daß die Side einfach einen Zweck erfüllen muß, ohne daß es für mich in Arbeit und Kosten ausartet. Die Bildergalerie und alle Informationen sind als kleine Ergänzung gedacht und nicht als Informationsportal über das Hause Brandenburg-Schwedt. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Spendenarbeit, die leider notwendig geworden ist.
    Ich begrüße solche externen Artikel grundsätzlich und habe mir erlaubt, diesen in den Nachrichten auf http://www.portal-schwedt.de zu verlinken

    Bleiben Sie weiter kritisch.

    MfG Dirk Sill

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  2. Da stellt sich mir die Frage, warum ist die Aufstellung des Gitters für Schwedter ein „Muss“? Für welche Schwedter und aus welchem Grund ein „Muss“?
    Will man es denen da oben mal so richtig zeigen (wenn auch nachträglich, denn die Entscheider von 1962 dürften jetzt schwerlich zur Rechenschaft gezogen werden können)? D.h., sofern ich Ihren Kommentar richtig verstanden und interpretiert habe.
    Dass in Schwedt im Bereich der Selbstwahrnehmung, Aussendarstellung und externen Rezeption etwas nicht stimmt, ist mir schon seit längerem klar. In Verbindung mit der Loveparade Duisburg hätte ich das jetzt aber nicht gebracht. Es liegt mir auch fern, die Arbeit des Vereins grundsätzlich abzuwerten, aber ein gewisses Kopfschütteln kann ich mir nicht verkneifen.
    Mfg
    der Autor

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